Interview

English version below

Hast du schon als Kind gewusst, dass du einmal Künstlerin wirst? 

Ja – mit 6 Jahren hatte ich mir überlegt, Künstlerin zu werden, weil man da mit wenig Arbeit viel Geld verdienen würde. 

Im wahren Leben stellt sich heraus, dass man mit viel Arbeit, Herzblut und Durchhaltevermögen Geld verdient. 

Und zum wahren Beruf, zur Berufung, wird es dann, wenn man sich sagt: „Hier steh‘ ich nun und kann nicht anders.“ Als bildender Künstler ist man mehr als jemand, der gut abbilden kann oder eine Technik perfekt beherrscht.

Es geht um einen tiefen inneren Ausdruck, der den Betrachter überrascht und ihm einen neuen Blick auf die Welt zeigt. Das erarbeitet sich der Künstler oft auf einem langen Weg, auf dem er sich mit sich selbst auseinandersetzt, viel sucht und beharrlich ist. 

Warum hast du dir die Malerei als deine Lieblings-Kunstform ausgesucht?

Die Malerei habe ich mir nicht bewusst ausgesucht. Ich liebe Farben und in der Malerei kann ich dieser Leidenschaft uneingeschränkt nachgehen.

Ich habe auch schon einige Skulpturen von dir gesehen, warum machst du die nur „nebenher“?

Als Künstlerin bin ich auch Entdeckerin. Suchen und Entdecken ist Teil des kreativen Prozesses. Ich probiere viel aus. Die Figuren die ich geformt habe, sehe ich als Entdeckungstour meiner Neugierde.

Ich habe schon Werke von dir gesehen auf Stoff, auf Plane, auf Holz, auf Stein auf Leinwand mit Ölfarbe, mit Acrylfarbe, mit Kreide …
Hast du einen Lieblings-Untergrund, oder Farben?

Wenn ich schöne Farben, Stoffe, Holz … in die Finger bekomme, löst das unmittelbar den Wunsch in mir aus, etwas damit zu machen.

Wichtiger jedoch als das Material ist der Schaffensprozess. Eine neue Malerei starte ich mit Farben die mein Herz schneller schlagen lassen oder die gerade noch auf der Palette „übrig” sind. Damit „tanze” ich über die Leinwand. Das ist pure Freiheit – kein Wollen, kein Ziel nur die pure Lust am Tun! Das ist die Freiheit in der Kunst, die ich so sehr liebe.

Wenn die Basis geschaffen ist, kommt der bewusstere Teil in dem es um Flächen- und Farbkomposition geht. Ich habe keine Angst, dass es nicht weitergeht. Komme ich an eine eigene Grenze, zerstöre ich sie mit einer neuen Ebene Freiheit: Farbe tanzen lassen. 

Wie weißt du, wann dein Bild „fertig” ist.

Wenn ich beim Ansehen, eine große Zufriedenheit spüre.

Ich kann mich noch an deine erste große Ausstellung 2014 in der Klangfabrik in Hamburg erinnern. Was hat sich seitdem für dich geändert? 

Hmm – ich glaube, geändert hat sich für mich nichts. Die Ausstellung war vielleicht der Start in eine neue Phase meines Schaffens. Denn diese und jede weitere Ausstellung haben mich bestärkt, dass ich mit meiner Malerei auf dem richtigen Weg bin. In jeder Ausstellung gibt es Begegnung mit Besuchern, die mir zeigen, dass meine Malerei tief berühren kann. Das macht mich glücklich und motiviert mich in meiner Arbeit.

Ich stelle in meinem zuhause auch einige Kunstwerke von dir aus. Sie stammen aus ganz unterschiedlichen Jahren. Sie unterscheiden sich in Technik, Untergrund und Farben und dennoch sind sie immer unverkennbar ein „Seils”. Wie schaffst du es, dich weiterzuentwickeln, nicht stehen zu bleiben und trotzdem deiner Linie und deinem Stil treu zu bleiben?

Neugierde und Offenheit. Das sind vermutlich die Eigenschaften die meine Kunst antreiben. Ich hasse Gleichförmigkeit und Wiederholungen langweilen mich. Natürlich tauche ich in bestimmte Themen ein und befasse mich ausführlich mit ihnen. Ich stelle mir keine Regeln auf, sondern probiere vorbehaltlos aus, was mir interessant erscheint. 

Ich würde niemals etwas malen, nur weil es en vogue ist oder weil sich bestimmte Genres gut verkaufen lassen. Und weil ich mir treu bleibe, bleibt meine „Handschrift” vermutlich unverkennbar.

Vielleicht ist es wie bei einem Sänger der unterschiedliche Stile ausprobiert. Seine Stimme passt sich dem Rhythmus an, behält aber ihren persönlichen Klang.

Du sagst selbst, dass du es liebst vor Publikum zu malen. 2019 entstand in der Ausstellung „von Musen und Mächten” ein Gemeinschaftsbild, von 2×6 Metern zusammen mit deinem Partner in Kunst und Leben Raimund Pallusseck. Eine beeindruckende 20-Minuten-Performance.
2020 hast du dir mehr Zeit gelassen und während der 10-tägigen Ausstellung dein Werk entstehen lassen. Die Zuschauer hatten hier Möglichkeit den Fortschritt deines Werks täglich vor Ort und im Internet zu begleiten.
Wie gehst du damit um, wenn dich Menschen direkt vor Ort kritisieren?

Kritik wurde nie direkt geäußert. Eher in der Form „das Bild ist doch schon fertig, ich würde jetzt nicht weitermalen”, „gestern gefiel es mir besser” oder „an diese, oder jene Stelle würde ich jetzt orange malen” – Wenn ich damit nicht zurecht käme, dürfte ich nicht in der Öffentlichkeit malen. Ich habe zum Glück ein großes Selbstbewusstsein, deshalb geht das. Es bringt mir Spaß, zu zeigen, welche Wendungen ein Bild nehmen kann.

Ein großes Live-Painting-Projekt war im Mai 2021 in Flensburg während einer Ausstellung bei
Robbe & Berking. Du musstest dich auf 2m Breite beschränken, die Höhe war unbegrenzt. War das eine besondere Herausforderung?

Oh ja. Die Herausforderung bei einem langen, schmalen Hochformat ist die Flächenkomposition. Unsere Sehgewohnheiten gehen in die Horizontale. In der chinesischen Malerei jedoch gibt es die schmalen Hochformate, dort habe ich mir die erste Inspiration geholt. 

Hattest du dir das Bild „Poseidons Welt“ vor dem Start skizziert? Oder ist es eher so, dass du auf der Leinwand das Bild entwickeltst?

Die ersten Vorstellungen für „Poseidons Welt“ waren die Farbigkeit und Struktur. Ich starte meine Malerei immer aus einem Gefühl heraus und der reinen Freude an der Farbe. 

Nachdem klar war, dass ich ein Format mit dem Seitenverhältnis von 1:3 bemalen werde, habe ich mir „Fenster“ zugeschnitten und bin damit über Buntpapiere gewandert. Dadurch habe ich ein Gefühl für die Flächenkomposition bekommen. Aber einen konkreten Plan habe ich nie. Ich mag es, mich treiben zu lassen und zu sehen, was sich ergibt. Daran knüpfe ich im weiteren Malprozess an.

Das Interview führte Yvonne Schweier – Wohnraumästhetin, und langjährige Freundin von Alexandra Seils

English version:

Did you picture yourself being an artist as a child?

Yes – When I was 6 years old I thought about becoming an artist because they can earn a lot of money with little work.

In real life, it turns out that in order to earn money with art requires a lot of hard work, lifeblood and perseverance. 

It becomes a true profession, a calling, when you can say ‘here I stand and can‘t go with­out’. As a visual artists you are more than someone who can depict things well or has mastered specific techniques.

It is more about a deep inner expression that surprises the viewer and shows them a new way of perceiving the world. This is some­thing that an artist works towards and develops on their own long path of self-confrontation, examination, and persistence. 

Why did you choose painting as your favorite art medium?

I didn’t consciously choose painting. I just love colors and with painting I can follow this passion with no restrictions.

I have also seen some sculptures you have made. Why do you only make them on the side?

As an artist I am also an explorer. To search and discover is part of the creative process. I try many things. I see the figures I have formed as part of the exploration tour of my curiosity.

I have seen some pieces done
by you on fabric, canvas, wood, stone on canvas with oil colors, with acrylics, with chalk

Do you have a favorite type of background, or colors?

When I get my fingers on beautiful colors, fabrics, wood … I get an immediate desire to make something with it.

More important than the materials are the processes used to create the piece. I start a new painting using colors that make my
heart beat faster or are ‘left over’ on my pallet. With these colors I ‘dance’ across the canvas. That is pure freedom – free of wants, or goals, just pure desire to create! That is the freedom in art that I love so much.

After finishing the base of a painting the more conscious work of surface and color composition begins. I don‘t fear that it may not progress. If I feel I reach a barrier, I just tear it down with a further layer of freedom: letting colors dance.

How do you know when a
picture is finished?

When I look at it and feel a great feeling of satisfaction.

I can still remember your first large exhibition in 2014 at the Klangfabrik in Hamburg. What has changed for you since then?

Hmm – I don’t believe anything has changed for me. The exhibition was maybe the beginning of a new phase of my creativity. This and all following exhibitions strengthened me in my perception that I was on the right path with my paintings. There are situations at every exhibit where I meet visitors that are deeply touched by my paintings. This makes me happy and motivates me in my work.

In my home I present some pieces of art of yours. They are from different years. They are different in technique, background, and colors but still are unmistakably a ‘Seils’.
How do manage to evolve and not stand still while remaining true to your own line and style?

Curiosity and openness are probably the characteristics that drive my art. I hate uniformity and repetition bores me. Of course I dive into certain themes and work with them in detail. I don’t impose any rules on myself, but do things that interest me while trying to refrain from being objective.

I would never paint something only because it is ‘en vogue’ or because some genres sell better. And because I stay true to myself, my signature style probably remains unmistakable. 

Perhaps it’s like a singer who tries different styles. Their voice adapts to the rhythm, but they retain their personal tone. 

You say yourself that you love to paint in front of an audience. In 2019, at the exhibition ‘von Musen und Mächten’, a large 2×6 meter group picture. This was a collaboration between you and your partner in art and life Raimund Pallusseck. It was an impressive 20-minute-performance.
2020 you gave yourself more time and allowed your work to develop over the 10-day exhibition. The viewers had the possibility to observe and escort you as your work progressed via the internet or in person.
How do you deal with people who criticize you directly in person?

Criticism is never directly expressed. Rather in the form ‘the picture is already finished, I wouldn’t continue with it’, ‘yesterday I liked it better’, or ‘at this or that area I would paint using orange’ – If I wasn’t able to deal with such things I wouldn’t be able to paint in public. Fortunately, I am very self-confident. It is fun for me to show what type of twists and turns a picture can take.

A large live painting project was in May 2021 in Flensburg during an exhibit from Robbe & Berking. You were restricted to 2 meters width, but unlimited in height. Was that particularly challenging?

Oh yes. The challenge by such a tall and narrow format is the surface composition. We are used to perceiving things in the horizontal plane. However, in Chinese paintings such tall and narrow formats can
be found. That is where I found my initial inspiration. 

Did you initially sketch the picture ‘Poseidons Welt’? Or did you rather start on the canvas and develop the picture as you went?

The first conceptions for ‘Poseidons Welt’ were of its colors and structure. I always start my painting driven by my intuition and the pure joy of the colors.

After it was clear that I would be painting using a format with a side ratio of 1:3, I fitted a ‘windows’ for myself and moved over colored paper with it. This allowed me to get a feeling for the surface composition. I never have a concrete plan. I like to allow myself to drift and to see what emerges. To this I can then connect further painting processes.

The interview was conducted by Yvonne Schweier – Living space aesthete and longtime friend of Alexandra Seils.